Ob Glück oder Unglück, ob falsch oder richtig, gerecht oder ungerecht...die Frage, ob der Mensch aus seinem begrenzten Blickwinkel die Geschehnisse korrekt bewerten kann, ist uralt. Gottfried Herder, der Freund Goethes, erzählt hierzu folgendes Gleichnis mit dem Titel Alles zum Guten:
Ein frommer Weiser kam vor eine Stadt, deren Tore geschlossen waren; niemand wollte ihm öffnen: hungrig und durstig musste er unter freiem Himmel übernachten. Er sprach: „Was Gott schickt, ist gut“ und legte sich nieder. Neben ihm stand sein Esel, zu seiner Seite eine brennende Laterne. Ein unvorhergesehener Sturm entstand und löschte sein Licht aus: Ein Löwe kam und zerriss seinen Esel. Er erwachte, fand sich alleine vor und sprach: „Was Gott schickt, ist gut.“ Er wartete in Ruhe die Morgenröte ab. Als er erneut die Siedlung aufsuchte, fand er die Tore offen, die Stadt verwüstet, beraubt und geplündert. Eine Schar Räuber war eingefallen und hatte die Einwohner gefangen genommen oder getötet. Er selbst ist verschont geblieben.
„Sagte ich nicht“, sprach der Weise, „daß alles, was Gott schickt, gut sei? Nur sehen wir meistens am Morgen erst, warum er uns etwas des Abends versagte.“
Quelle: Impuls-Kalender
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